Auf ein Wort: Den Finger in die Wunde legen

Auf ein Wort: Den Finger in die Wunde legen

Auf ein Wort: Den Finger in die Wunde legen

# Auf ein Wort

Auf ein Wort: Den Finger in die Wunde legen

Liebe Leserinnen und Leser,

seit meinen Studienzeiten begleitet mich ein Bild: Der ungläubige Thomas von Michelangelo Merisi da Caravaggio. Es ist eines der berühmtesten Gemälde dieses italienischen Künstlers. Anfang des 17. Jahrhunderts hat er es gemalt.

Zu sehen ist der auferstandene Christus: Er hat seinen Mantel zur Seite gezogen. Trotz seiner Auferstehung: Die tödliche Wunde von Karfreitag klafft noch immer. Der Apostel Thomas legt seinen Zeigefinger hinein – so tief, dass er die Wunde an den Rändern aufwölbt.

Leg deinen Finger hierher und sieh meine Hände an. Streck deine Hand aus und leg sie in die Wunde an meiner Seite. Sei nicht länger ungläubig, sondern komm zum Glauben! (Joh 20,27)

So soll Jesus nach dem Johannes-Evangelium zu Thomas gesagt haben. Caravaggio hat diesen überraschenden Aufruf in Szene gesetzt. In ein Bild, das weh tut.

Und Thomas, der nur scheinbar „Ungläubige“, wagt, was schmerzt: Er legt seinen Finger in die Wunde. Und Gott schreckt vor dem Schmerz nicht zurück. Gott lässt sich berühren. Wo wir die unbequemen Fragen, Zweifel und Ängste nicht verdrängen, sondern zulassen, dort beginnt neues Leben.

Glaube heißt: sich einem allzu schnellen Trost nicht einfach zu fügen, sondern die eigenen Fragen und auch das, was schmerzt, Gott anzuvertrauen. Nachzubohren. Den Finger in die Wunde zu legen – in der Hoffnung, dass in den Wunden des Lebens mehr steckt als nur Schmerz: die Aussicht auf Trost, die Möglichkeit eines Neubeginns, ein Zeichen dafür, dass Gott da ist – trotz allem!

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Karwoche und ein hoffnungsvolles Osterfest! 

Ihr Pastor Jens Wening

Bild: Michelangelo Merisi da Caravaggio, Der ungläubige Thomas, 1601/02, Öl auf Leinwand.

Nachweis: Caravaggio Caravaggio artist QS:P170,Q42207, The Incredulity of Saint Thomas, CC BY-SA 4.0

Dies könnte Sie auch interessieren